Vom 23.-30.6.2025 fand am Ende des Schuljahres einmal mehr die Gedenkstättenfahrt der GBS nach Lublin in Polen statt.
Mit 23 Schülerinnen und Schülern war es die bisher größte Gruppe, die sich auf diese herausfordernde, aber auch sehr lohnende und beeindruckende Fahrt einließ. Drei Gedenkstätten, die ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek, Sobibór und Bełżec, sowie zwei Workshoptage in der Gedenkstätte Majdanek ermöglichten eine vertiefte Auseinandersetzung mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg und den Verbrechen des NS-Regimes. Täter und Opfer bekamen Namen und Gesichter, Geschichte konnte hier vor Ort erkundet und erfahren werden. Gleichzeitig bot die Fahrt die Gelegenheit, in Lublin das heutige Polen kennenzulernen.

Die unterschiedlichen Eindrücke hielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Erfahrungsberichten fest, die eindrucksvoll von Ihren Erlebnissen vor Ort und der Wirkung der Fahrt berichten.
Erfahrungsbericht von Ben Uckermann
Als ich die Fahrt zum Flughafen antrat, hatte ich mich nicht mit meinen Erwartungen auseinandergesetzt. Nachträglich kann ich sagen: die Eindrücke, die ich während der Fahrt aufnahm, waren bewegend.
Besonders die Führung auf dem Gelände der Gedenkstätte Majdanek wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Die Gefühle und Emotionen, die hochkommen, während wir die Bade- und Desinfektionsbarrake betraten oder in die Gaskammern blickten sitzen noch immer tief. Diese Gefühle sind mehr hängen geblieben als alle Fakten und Zahlen, welche man sonst in Verbindung mit dem Holocaust hört. Es ist nicht möglich dies durch Lehrbücher zu vermitteln, sondern kann nur an dem Ort wahrgenommen werden an welchem Menschen dieses unsägliche Unglück und leid angetan wurde.
Vor der Fahrt war mir nicht Bewusst, wie weit die Täter aufgefächert waren und dass nicht alles auf direkten Befehlen Hitlers basierte. Die Anzahl an Schuldigen deren Namen dem Großteil der Gesellschaft nicht bekannt sind ist erschreckend. Odilio Globocnik beispielsweise hat den Tod von knapp zwei Millionen Menschen im Distrikt Lublin mitzuverantworten und dennoch hatte ich noch nie zuvor von ihm gehört
Dies spricht meiner Meinung nach für eine Mangelnde Gesamtaufklärung über das Dritte Reich.
Auch lies mich die Mangelnde Einsicht der Täter 40 Jahre nach ihren grausamen, menschenverachtenden Verbrechen sprachlos. Es ist mir nicht begreiflich, wie Menschen sich in die Opferrolle bringen, nachdem sie aus freien Stücken dem Regime beigetreten sind. In Zusammenhang mit der fehlenden Einsicht blieb mir nichts anderes übrig als über die lächerlichen Haftstrafen zu stauen. Das unser Rechtssystem nicht in der Lage war diesen Tätern ihre Angemessenen Strafen aufzuerlegen ist eine Schande.
Ich finde die Parallelen erschreckend, die sich in unserer heutigen Zeit zur damaligen abzeichnen. Der steigende Hass, der gesät wird, spaltet unsere Gesellschaft erneut und droht wieder zu eskalieren. In welchem Ausmaß es diesmal passieren ist schwer abzuschätzen, doch eins bleibt gewiss: Gerade in diesen Zeiten ist es umso wichtiger aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, um sie nicht zu wiederholen. Eine Gedänkstättenfahrt schafft dafür den optimalen Rahmen, da sie Fakten mit eigenen Wahrnehmungen verknüpft.
Während der Fahrt erlangte ich neben einem größeren Wissen über die NS-Zeit auch eindrücke die man im üblichen Schulischen Rahmen nicht replizieren kann.
Daher kann ich die Gedänkstättenfahrt auch nur jedem empfehlen. Sie bildet die Optimale Möglichkeit sich intensiv auf einer deutlich tieferen Ebene mit der NS-Zeit zu beschäftigen.
Erfahrungsbericht von Luisa Sturm
Die Gedenkstättenfahrt nach Lublin ist nicht mit einer „normalen“ Klassenfahrt zu vergleichen. Gerade deshalb würde ich sie als die Fahrt beschreiben, die für mich die größte Bedeutung und auch den tiefsten Eindruck hinterlassen hat.
Zu der Gedenkstättenfahrt angemeldet hatte ich mich aus der Motivation heraus, mich mit der Geschichte Polens während des Zweiten Weltkrieges und dem Holocaust auf eine facettenreichere Art und Weise zu beschäftigen, als dies im Unterricht in der Regel der Fall ist. Von dem Besuch der Gedenkstätten hatte ich mir erhofft, mich intensiver mit der Thematik auseinandersetzen zu können, da eine ganz andere „Nähe“ zu den Ereignissen gegeben ist, mit denen man sich sonst eher distanzierter und abstrakter beschäftigt. Durch den Aufbau der Fahrt wurden diese Erwartungen absolut erfüllt.
Die Stadtführung durch Lublin am ersten Tag, bei der an verschiedenen Orten auf historische Ereignisse eingegangen wurde, an welche diese Orte noch heute erinnern, war ein guter thematischer Einstieg für die folgenden Tage. Vor allen Dingen hat Herr Wysok von der Gedenkstätte Majdanek während der Stadtführung ein besonderes Bewusstsein für die Spuren geschaffen, die die Geschichte in der Stadt hinterlassen hat. Beispielsweise machte er mit dem Satz „Misstraut den Grünflächen.“ darauf aufmerksam, dass dort, wo sich mittlerweile in Lublin Parkanlagen oder Parkplätze befinden, sich früher das jüdische Viertel befand, welches zur Zeit des Nationalsozialismus zerstört wurde. Dadurch habe ich die heutige Stadt Lublin noch einmal ganz anders wahrgenommen. Im Laufe der Stadtführung ging es auch um die „Aktion Reinhardt“, mit welcher der SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik von Heinrich Himmler beauftragt wurde. Am 17. März 1942 begann damit die Deportation und Ermordung jüdischer Menschen in den besetzten Gebieten Polens. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir von diesem Tag die Thematisierung des Höfle-Telegramms der deutschen Polizeifunkstelle in Lublin. In diesem wurden genaue Opferzahlen der „Aktion Reinhardt“ bis zum 31.12.1942 dokumentiert und damit die Opfer von Majdanek, Sobibór, Bełżec und Treblinka auf eine Zahl reduziert. Dass ein so unmenschliches und grausames Ereignis wie der Holocaust mit einer solchen „nüchternen“ Systematik und Bürokratie stattfand, war und ist für mich ein Kontrast, der nicht greifbar ist.
An den drei darauffolgenden Tagen besuchten wir die Gedenkstätte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek. Eine Führung über das Gelände und der Besuch verschiedener Ausstellung auf diesem verschaffte uns einen Überblick über die Gedenkstätte und durch die, teilweise noch erhaltenen, Baracken, die Gaskammern und das noch bestehende Krematorium wurden die Geschehnisse des Holocausts für mich noch einmal viel realer, als sie durch das Lesen von Büchern oder das Schauen von Dokumentation werden konnten. In der Gedenkstätte Majdanek haben wir anschließend an mehreren Workshops teilgenommen, die sich mit den Täter*innen, den Opfern und dem Bezug zur heutigen Zeit befassten. Die Workshops haben den Fokus auf unterschiedliche Aspekte gelegt und so einzelne Teile zu einem möglichst umfassenden Gesamteindruck beigetragen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir hierbei das Tagebuch von Jadwiga Ankiewicz, die mit 16 Jahren bei einer Razzia in Warschau festgenommen und nach Majdanek gebracht wurde, wo sie ihre Erlebnisse in einem Tagebuch festhielt, welches sie bei ihrer Freilassung mit aus dem Lager schmuggeln konnte.
Am Samstag haben wir unter anderem die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Sobibór besucht. Im Gegensatz zu Majdanek war die Gedenkstätte abstrakter aufgebaut, da von den Nationalsozialisten die meisten Spuren, die auf ein Vernichtungslager hindeuteten beseitigt wurden. Auch die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Bełżec ist etwas abstrakter. Für mich bedeutet dies nicht, dass sie weniger eindrücklich war. Vielmehr wurde mit einer Symbolik gearbeitet, die ein Bewusstsein für die Opfer der Lager schuf und, statt mit Opferzahlen an die ermordeten Menschen zu gedenken, diese versuchte beim Namen zu nennen. So gibt es in der Gedenkstätte von Bełżec beispielsweise zwei Bereiche, die den früheren Aufbau des Lagers widerspiegeln. Hierbei ist der Bereich, in dem sich die Massengräber und Gaskammern befanden, abgetrennt durch eine in den Boden eingelassene Platte, in die an Zugschienen erinnernde Spuren eingraviert sind, die einen Davidstern bilden. Das komplette Gelände des Bereiches, in dem sich die Massengräber befanden, ist mit Schlacke bedeckt. Ein schmaler Gang in der Mitte des Geländes, der zu beiden Zeiten von hohen Mauern begrenzt ist, erinnert an den letzten Weg der Opfer zu den Gaskammern und führt zu einer Gedenkwand. Dort sind die Vornamen von Opfern des Vernichtungslagers Bełżec in die Wand eingraviert. Dieser beschriebene Bereich wird umrandet von einem Weg, auf dem sich die Namen von Städten befinden, aus denen Menschen nach Bełżec deportiert wurden. In dem anderen Bereich der Gedenkstätte, in dem sich unter anderem Verwaltungsgebäude und Baracken zur Lagerung des Gepäcks befanden, erinnert ein Denkmal an die Scheiterhaufen, auf denen die Leichen der Opfer verbrannt wurden und eine Rampe führt zu dem Museumsgebäude, das an einen Zug erinnert. Genauso wie die Gedenkstätte selbst ist das Museum in einen Teil aufgebaut, der allein den Opfern gewidmet ist und einen Teil, der sich mit den Täter*innen des Nationalsozialismus beschäftigt. All das hat bei mir ein Gefühl hinterlassen, das nur schwer zu beschreiben ist.
Die Gedenkstätten, die wir auf der Fahrt besucht haben, sowie die Informationen, die uns im Laufe der Workshops und verschiedener Dokumentationen vermittelt wurden, haben ein viel umfassenderes Bild des Holocausts geschaffen, als dies meiner Meinung nach allein im Unterricht geschehen kann. Die historischen Fakten sind die eine Sache, aber die Nähe zu den Orten der Verbrechen des Nationalsozialismus ruft ein ganz anderes Gefühl der Bedrückung und der Realisation (wenn man das denn so nennen kann, denn ich glaube nicht, dass es einem Menschen, der diese Verbrechen nicht selbst erlebt hat, möglich ist, diese vollständig zu begreifen) hervor, das für mich noch einmal meine Wahrnehmung dieses Themas verstärkt und gleichzeitig auch durch den Workshop, bei dem wir uns mit dem Gegenwartsbezug beschäftigt haben, die Überzeugung und den Willen verstärkt hat, sich entschieden gegen die Ausgrenzung und Abwertung von Personengruppen zu stellen und auf diese aufmerksam zu machen.
Personen, die sich unsicher sind, ob sie an der Fahrt teilnehmen wollen, würde ich daher unbedingt dazu raten teilzunehmen.
Ist man sich unsicher, ob man an der Fahrt teilnehmen möchte, weil man nur wenig Interesse für das Thema selbst hat, dann wäre genau das ein Grund mitzufahren, vorausgesetzt, man ist offen dafür, sich darauf einzulassen. Denn Geschichte ist eben auch heute noch von Bedeutung.
Besteht diese Unsicherheit aus der Angst heraus, dass das Thema der Fahrt zu belastend sein könnte, kann ich sagen, dass die Fahrt für mich persönlich oft von Bedrückung und auch Fassungslosigkeit geprägt war, es allerdings immer die Möglichkeit gab, sich zurückzuziehen, falls man etwas Abstand brauchte und dass es am Abend immer die Möglichkeit zu einer Nachbesprechung gab, wenn Redebedarf bestand. Letztendlich ist für mich neben den neuen Dingen, die wir auf der Fahrt gelernt haben, genau dieses Gefühl von Bedrückung/Fassungslosigkeit/Überforderung/Angst, dass so etwas nochmal passieren könnte/… das Wichtigste, was ich für mich mitgenommen habe.
Erfahrungsbericht von Salsabil Zarouali

